3. Oktober 2003

 

Das US-Imperium wankt

 

von Marco Feiten

 

Wenn Sie regelmäßig in das Diskussionsforum des Trierer Aktienclub 2000 hinein schauen, wird Ihnen nicht entgangen sein, dass ich gegenüber den USA und ihrem „way of life“ in höchstem Maße kritisch eingestellt bin – und das nicht erst, seit dem sich „Antiamerikanismus“ als neuer Trend entwickelt hat. Ich glaube, dass die aktuellen politischen wie auch ökonomischen Entwicklungen als Zerfall einer durch die USA geprägten Welt- und Werteordnung gedeutet werden können. Zum US-Imperium zähle ich nicht nur seine weltweit 725 Militärstützpunkte im Ausland, sondern auch seine Werte und Kultur. Aus der ökonomischen Krise werden in den nächsten Jahren neue Wertevorstellungen hervorgehen, der Kapitalismus in seiner heutigen Form verschwinden. Die USA sind die letzte verbliebene Großmacht, doch sie hat ihren Zenit bereits überschritten und es deutet sich an, dass es Asien und hier vor allem China sein wird, das die Welt in den nächsten Jahren prägen wird. Mit „nächsten Jahren“ meine ich nicht 3 bis 5 Jahre, sondern durchaus Jahrzehnte. Sie mögen nun ungläubig den Kopf schütteln, doch werfen Sie einen Blick in die Geschichtsbücher: kein Weltreich und kein System hatte dauerhaft Bestand. Überraschenderweise bin ich kürzlich auf eine Kolumne des Finanzexperten Dr. Marc Faber gestoßen, in der er eine ähnliche Sichtweise vertritt. So schreibt er in seiner Kolumne „Der Anfang vom Untergang des amerikanischen Reiches“ in welt.de:

 

„Bei allen großen Reichen der Weltgeschichte, wie etwa bei den Römern in der Antike, den Spaniern des 16. Jahrhunderts und den Engländern des 19. Jahrhunderts, ging die wirtschaftliche Überlegenheit Hand in Hand mit politischer und militärischer Macht. Sobald diese Weltreiche an wirtschaftlichen Problemen zu leiden begannen, verloren sie auch unweigerlich an politischem Einfluss und an militärischer Macht. Zyniker und Machttheoretiker könnten natürlich auch argumentieren, dass die genannten Weltmächte irgendwann Kriege zu führen begannen, um ihre wirtschaftlichen Probleme zu überdecken oder zu lösen. Nur waren diese dann so teuer, dass sie den wirtschaftlichen Niedergang noch wesentlich beschleunigten.“

 

Der Irak-Krieg, dessen Legitimität ohnehin zweifelhaft ist, fügt sich somit in das Bild des zerfallenden Weltreiches USA. Doch lesen wir weiter:

 

„Nach dem Überschreiten des Zenits ihrer [der Weltreiche] Macht zeigten sich hingegen durchweg wachsende Inflationsraten und oft stark steigende Zinsen. Die Währungen – ein wichtiges Spiegelbild der Stärke eines Landes – wurden schwach.“

 

Den bevorstehenden „Fall des US-Dollar“ habe ich erstmals in 2001 angekündigt und von da an regelmäßig erneut darauf aufmerksam gemacht. Die Abwertung wurde allein dadurch hinausgezögert, dass bei Anlegern noch immer der tiefe Glaube an die Überlegenheit der US-Ökonomie vorhanden war, der jedoch durch etliche Skandale und die weiterhin schwache Wirtschaft ins Wanken geraten ist. Inzwischen hat eine wahre Dollar-Flucht begonnen und ich möchte schon an dieser Stelle darauf hinweisen, dass dem Aktiencrash von 1987 eine ähnliche Entwicklung voran gegangen war. Der starke Einbruch des US-Dollar basiert zum Einen auf den Kapitalabflüssen, die durch die Börsenturbulenzen sowie historisch niedrigen und damit unattraktiven Zinsen ausgelöst wurden. Auch die Androhung des Fed Gouverneur Bernanke, den Wert des US-Dollar durch Erhöhung der Geldmenge abzuschwächen, um Deflation zu verhindern (Lesen sie dazu auch mein Börseninfo Special“ zum Fiat Money, kostenloser Download auf www.TAC2000.de oder auf www.new-sense.net) hat zumindest die Wirkung erzielt, dass sich die Flucht aus dem US-Dollar beschleunigt hat. Die strukturellen Probleme der USA wurden an dieser Stelle hinreichend dargestellt (exzessive Verschuldung, enormes Handelsbilanzdefizit, ...). An meiner Prognose aus  „Börseninfo“ Ausgabe

 

11 vom 29. Mai 2002 halte ich weiter fest: „Der US-Dollar hat zuletzt ein langfristiges Top gebildet und dürfte nun in  einen mehrjährigen Abwärtstrend übergehen“. Hier noch einige Beispiele aus der bereits genannten Kolumne von Dr. Marc Faber für den Fall von Weltreichen, der sich in ihren Währungen manifestierte:

 

„Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass sich die Wirtschaft des römischen Reiches bereits in einer nicht sehr guten Verfassung befand, als Kaiser Nero die römische Währung zum ersten Mal abwertete und sich dann sukzessive ganz beträchtliche Abwertungen unter den nachfolgenden Kaisern aufzwangen. Die Folge war, dass der römische Dinar am Ende des Reiches im vierten Jahrhundert weniger als ein Tausendstel des Wertes hatte, der ihm unter Kaiser Augustus einmal zugebilligt worden war. Ähnlich erging es den Spaniern. Zwischen 1580 und 1640 ging die spanische Krone nicht weniger als fünf Mal Bankrott. Sie konnte ihre Schulden, die sie unter anderem in Antwerpen und Augsburg aufgenommen hatte, nicht bezahlen. Was mit dem englischen Pfund geschah, ist ebenfalls wohl bekannt. Im 20. Jahrhundert, nach dem Ende des Empire, verlor es rund 90 Prozent seines Wertes gegenüber dem Schweizer Franken und dem Preis für eine Feinunze Gold.“

 

In Ausgabe 16 der „Börseninfo“ hatte ich Ihnen die sozialen Folgen des 3-jährigen Bärenmarktes für die US-Bürger dargestellt. Ich glaube, dass eine sehr wichtige Entwicklung der nächsten Jahre der Vertrauensverlust der US-Amerikaner in ihre politische Führung sein wird. Der Verfall des US-Imperiums wird sich meines Erachtens in einer Zuspitzung des sozialen Elends niederschlagen. Die Zahl der US-Amerikaner, die in Armut leben, hat sich im vergangenen Jahr um weitere 1,4 Mio. auf 34,8 Mio. Menschen erhöht. Rund jeder achte Amerikaner (12,4%) fällt damit inzwischen unter die Armutsgrenze, wie die US-Zensusbehörde mitteilte. Unzufriedenheit im Volk könnte in einigen Jahren sogar zu Ausschreitungen führen. Halten Sie diese Prognose im Gedächtnis.

 

"Our only goal, our only option, is total victory in the war on terror."

 

Mit dieser zweifelhaften Mission reist George W. Bush durch sein Land. Auffällig erscheint mir die Wortwahl, die ich nicht dem Zufall überlassen will. Bush sprach von „Kreuzzügen“, der „Achse des Bösen“ und nun vom „totalen Sieg“ – der „Krieg gegen den Terror“ bedarf eines Feindbildes, das offensichtlich auch durch religiöse Motive gestützt werden soll. Die USA haben sich auf einen gefährlichen Weg begeben und makabererweise wurde dies erst ermöglicht durch einen Präsidenten, der nur von 25% der US-Amerikaner gewählt wurde (Wahlbeteiligung 50%) sowie den Anschlägen vom 11. September 2001. Gerade letztere muss man womöglich neu bewerten, wenn man sich über die Konsequenz folgender Worte klar wird:

 

"Da Amerika im eigenen Land strikt auf Demokratie hält, kann es sich im Ausland nicht autokratisch gebärden. Dies setzt der Anwendung von Gewalt von vornherein Grenzen, besonders seiner Fähigkeit zu militärischer Einschüchterung. Nie zuvor hat eine volksnahe Demokratie internationale Vormachtstellung erlangt. Aber das Streben nach Macht wird kein Volk zu Begeisterungstürmen hinreißen, außer in Situationen, in denen dem allgemeinen Empfinden das nationale Wohlergehen bedroht oder gefährdet ist."

 

Zbigniew Brzezinski in: Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft, deutsche Ausgabe: Carl Hanser Verlag, 1999.

 

Die US-Politik wird durch die „Neocons“ geführt, die bereits vor dem US-Regierungswechsel Grundpfeiler US-amerikanischer Ziele festlegten. Dazu sollte man unbedingt einen Blick auf ein im August 2000 publiziertes Strategiepapier werfen: „Rebuilding America's Defenses: Strategy, Forces and Resources for a New Century“[1]. Darin wird ganz klar das Ziel US-amerikanischer Vorherrschaft dargestellt, sowie die dazu zu ergreifenden Maßnahmen beschrieben: stärkere militärische Präsenz in der Golf-Region zur Sicherung  der Öl-Ressourcen,  starke Präsenz in Südostasien zur Kontrolle des chinesischen Machtblocks, die Entmachtung der Vereinten Nationen (UN), das Kleinhalten der Wirtschaftsmacht EU etc. Allerdings zeigen der Afghanistan-Krieg sowie der Irak-Krieg, dass Plan und Wirklichkeit zweierlei sind – es wäre durchaus denkbar, dass die USA durch ihre Einsätze die „Büchse der Pandorra“ geöffnet haben und sich der Irak zu einem „zweiten Vietnam“ entwickelt.

 

Aus ökonomischer Sicht bedeutet der „Kampf gegen den Terror“, in dessen Kategorie Washington auch den Feldzug gegen den Irak einordnet, dass die Allokation des Kapitals geändert wird und mehr Geld in fragwürdige Projekte wie zum Beispiel „Homeland Security“ fließt. Dieses Geld fehlt an anderer Stelle wo es sicher sinnvoller aufgehoben wäre: Ausbau und Modernisierung der Infrastruktur wie Schulen, Straßen, Investitionen in Forschung, etc.. Die Verschuldung gerät außer Kontrolle und wird früher oder später unser gegenwärtiges Geldsystem in eine Krise stürzen[2], da jenes primär auf dem US-Dollar aufgebaut ist.

 

 

Abschließend sei gesagt, dass ich keinerlei Emotionen gegen die US-Bürger verspüre, auch nicht gegen deren Regierung, wenngleich ich die US-Politik kritisch sehe. Vielmehr bin ich bestrebt, die Weltgeschehnisse im historischen Gesamtkontext zu begreifen, weshalb mir ab und an ein Blick ins Politische und Soziale gewährt werden muss. Sie mögen meine Auffassungen nicht teilen, aber das ist auch nicht das Ziel der „Börseninfo“. Ziel ist allein der Versuch, Szenarien zu entwickeln, die primär ökonomischer Natur sind. Wer allerdings rein auf ökonomische Daten achtet, wird meines Erachtens Trends nicht oder erst zu spät erkennen können. Der Mensch ist eben kein „Homo Oeconomicus“...

 

Marco Feiten

03.10.2003

 

http://www.new-sense.net/politik/geo/usa/feiten031103.htm

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