Praktikum bei der IFL® Rühl GmbH

 

8. September bis 18. Oktober 2003

 

Für einen Studenten ist es inzwischen nahezu Pflicht geworden, während des Studiums Erfahrung in der Praxis zu sammeln, wohl auch weil der Glaube vorherrscht, Studenten würden zu hervorragenden Theoretikern aber eben weniger erfolgreichen Praktikern ausgebildet. Meine persönliche Meinung ist, dass es in der Tat Absolventen geben mag, die nach dem Studium einen echten „Praxisschock“ erleben, weil sich die reale Welt sehr viel weniger nach den Vorgaben der Theorie verhält als geglaubt. Doch dies dürfte eher die Ausnahme denn die Regel sein und ironischerweise finden sich solche Studenten nicht selten unter jenen mit den besten Abschlüssen. Praktika sind sicher sinnvoll, aber insgesamt wäre es wünschenswert, dass Unternehmen und Universitäten enger zusammenarbeiten und das Studium von vornherein näher an der Praxis orientiert ist. So ließe sich womöglich das Problem der Fachkräftemangels lösen und die Universitäten könnten ihre finanzielle Lage verbessern. Doch genug der langen Vorrede:

 

 

Der Entschluss und das Finden einer Praktikumsstelle

 

Im Frühjahr 2003 entschloss ich mich dazu, ein Praktikum zu absolvieren. Meine Ausbildung zum Bankkaufmann sowie mein starkes persönliches Interesse an Wirtschaft und Finanzmärkten prädestinierte ein Praktikum in diese Richtung, jedoch wäre sicherlich auch ein Blick in eine Unternehmensberatung oder einen völlig anderen Bereich interessant gewesen. Neben einer konventionellen Bewerbung habe ich über die von mir für den Trierer Aktienclub 2000 publizierte „Börseninfo“ Ausgabe 20 eine „Blind-Anfrage“ an die Leser/innen gerichtet: „[…] ich suche für September/Oktober eine Praktikumsstelle. Sofern Sie eine solche zu vergeben haben bzw. in Ihrem Unternehmen Praktikastellen angeboten werden, wäre ich für eine Email [...] sehr dankbar.“ Auch wenn diese Form der Suche nicht sonderlich Erfolg versprechend erschien, erhielt ich zu meiner großen Freude in den Tagen nach der Veröffentlichung einige interessante Hinweise und Anfragen. Meine Wahl fiel letztlich auf die IFL® Rühl GmbH in Reutlingen, da mir der Geschäftsführer des Unternehmens, Herr Andreas Rühl sehr offen und direkt entgegen kam und ein sehr interessantes Projekt in Aussicht stellte. Ausschlaggebend waren aber auch die Vereinbarung eines monatlichen Entgelts sowie das Angebot einer kostenfreien Unterkunft.

 

Los geht’s!

 

Also ging es am Sonntag den 7. September mit dem Auto auf nach Reutlingen, was von meinem Wohnort aus rund 350 Kilometer entfernt liegt. Die berechnete Zeit eines Online-Routenplaners von etwas mehr als 3 ½ Stunden erwies sich schon bei dieser ersten Fahrt als reine Makulatur, denn es ist offenbar völlig unmöglich von der Gegend um Mannheim in Richtung Stuttgart zu fahren ohne dabei in mindestens einen Stau zu geraten. So kam ich erst sehr spät in meiner Unterkunft bei Familie Mohr im Zentrum Reutlingens an. Dort wurde ich sehr herzlich empfangen und auch in den folgenden 6 Wochen hätte man schwerlich in einem Hotel besser untergebracht sein können. An dieser Stelle sei daher abermals für die freundliche Aufnahme und das Entgegenkommen gedankt.

 

Der erste Tag

 

Wer von sich behaupten kann, vor etwas Neuem nicht nervös zu sein, muss in den Genuss einer Genmutation gekommen sein. Ich jedenfalls gehöre wohl nicht dazu und war entsprechend aufgeregt, doch dies – wie das so oft der Fall ist – völlig unbegründet. Der erste Tag des Praktikums verlief „wie im Flug“. Aufgrund mangelnder Kenntnis der Reutlinger Innenstadt bot mir Frau Mohr an, mich mit dem Auto zum Sitz der IFL® Rühl GmbH zu fahren, was ich gerne annahm. So klingelte ich bereits gegen 7:30 Uhr am Birnenweg 15 und wurde durch Herrn Rühl freundlich empfangen. Nach einer ersten Führung durch die Büroräume erhielt ich einen ersten Einblick in das Unternehmen selbst, seine Tätigkeitsfelder und angebotenen Dienstleistungen und lernte die ebenfalls sehr aufgeschlossenen und freundlichen Mitarbeiter/innen kennen. Ich kam zudem in den Genuss eines eigenen Büros mit PC und Internetzugang – letzterer erwies sich während der Bearbeitung des Praktikumsprojektes als völlig unverzichtbar.

 

Das Projekt

 

Die IFL® Rühl GmbH war dato als reiner Fonds-Vermittler tätig, doch in der Gesellschaft wurden bereits Anlagestrategien für die Kunden entwickelt und auch umgesetzt – wenngleich man an die Weisung der Kunden gebunden war. Zum 1. Januar 2004 will  das Unternehmen jedoch auch Finanzportfolioverwaltung anbieten, d.h. „die Verwaltung einzelner in Finanzinstrumenten angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum“, worunter man im "normalen" Sprachgebrauch die Vermögensverwaltung versteht. Um diese Dienstleistung anbieten zu dürfen ist eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)[1] erforderlich. Meine Projektaufgabe bestand darin, den Erlaubnisantrag bzw. das gesamte Zulassungsverfahren vorzubereiten, wozu jedoch auch diverse organisatorische Änderungen und Anpassungen nötig waren.

 

Der Plan und die Umsetzung

 

Herr Rühl hatte mir bereits vor dem Praktikum einige Informationen via Email zukommen lassen, doch meine erste Aufgabe bestand darin, mir einen tieferen Einblick bzw. Überblick über das Projekt bzw. einen sinnvollen Ablauf zu verschaffen. Dazu waren wie bereits erwähnt umfangreiche Recherchen nötig bei denen mir das Internet wertvolle Dienste erwies. Zur Einführung in das Projekt waren auch eine Fahrt zur Deutschen Bundesbank nach Stuttgart sowie der Austausch mit befreundeten Vermögensverwaltern hilfreich. In einem zweiten Schritt ging es darum, den Ist-Zustand des Unternehmens als Organisation zu erfassen, also Informationen über Ablaufregelungen, Kompetenzen, etc. zu gewinnen um diese auf einen Soll-Zustand verändern und ausbauen zu können. Teil des Projektes war wie oben erwähnt auch das Antragsverfahren selbst, das Verfassen und Zusammentragen der einzureichenden Unterlagen, wozu z.B. Planbilanzen, ein Geschäftsplan, ein Organigramm, etc. gehören.

 

Für das Praktikum hatte ich 6 Wochen vorgesehen, da ich zum Beginn des Wintersemesters wieder zurück sein wollte. Insofern war es überaus bedeutend, eine grobe Zeitplanung vorzunehmen und diese entsprechend umzusetzen. Die ersten beiden Wochen dienten daher primär der Information, die folgenden drei Wochen der Anpassung der Organisationsstruktur, was unter anderem mit der Schaffung völlig neuer „Institutionen“ wie einem Geldwäschebeauftragten oder einem Compliance Office und neuen Ablaufregelungen wie dem Bearbeitungsprozess bei einer Kundenbeschwerde verbunden war. Neben der „Großaufgabe“ eines Organisationshandbuchs mussten auch neue Formulare geschaffen werden. Dazu war ein intensiver Austausch mit den Mitarbeitern erforderlich, denn schließlich sollten das Organisationshandbuch sowie die Formulare auch in die Praxis umsetzbar bzw. anwendbar sein.

 

Außerdem war es mir wichtig, dass es auch nach meiner Abreise nicht zu Informationsdefiziten kommen würde. Daher habe ich sämtliche Informationen sinnvoll zusammengetragen, Mitarbeiter-Informationen verfasst und sämtliche Quellen tabellarisch erfasst. Die letzte Woche stand ganz im Zeichen des Antrags selbst, doch auch meine Abreise musste bereits vorbereitet werden – wie schnell können 6 Wochen doch vergehen!?

 

Der letzte Tag: Bedanken und Abschied nehmen

 

Der letzte Tag sollte derart ablaufen, dass ich den Stand der Dinge vermittle, eine Abschlusspräsentation durchführe und gegen Nachmittag nach Hause aufbreche. Morgens erfuhr ich gleich wieder, warum man Murphys erstes Gesetz niemals vergessen sollte: „Wen etwas schiefen gehen, geht es auch schief.“ Die Präsentation an der ich bis in die Nacht gearbeitet hatte konnte ich nicht verwenden, da der Beamer nicht mit meinem Notebook „kooperieren“ wollte. Da ich außerdem mit einer aktuelleren Fassung von PowerPoint gearbeitet und zudem auf Dokumente auf meiner Festplatte verlinkt hatte, musste ich die Präsentation überarbeiten, was zu einer Verzögerung um etwa 45 Minuten führte. Ärgerlich, aber kein Beinbruch. Unter dem Motto „Mehr Bürokratie, klarere Struktur, neue Möglichkeiten“ stellte ich den Mitarbeitern die Ergebnisse meiner Projektarbeit dar. Hier kam mir das Studium sowie meine Tätigkeit im Trierer Aktienclub 2000 zugute, denn Vorträge bzw. Präsentationen hatte ich schon viele gehalten, sodass sich meine Nervosität in Grenzen hielt. Wichtig war mir den Mitarbeitern aufzuzeigen, dass sich einiges verändern, aber es letztlich eine Verbesserung des statuts quo bedeuten und neue Chancen bringen würde. Ich denke, dies wird sich erst in den kommenden Monaten klarer zeigen, doch es ist wichtig, dass die Mitarbeiter Neuem gegenüber aufgeschlossen bleiben und den Wandel aktiv mitgestalten. Nach der Präsentation wurde mein „Ausstand“ mit etwas Sekt begossen und beide Seiten, Herr Rühl sowie die Mitarbeiter/innen und ich brachten den gegenseitigen Dank zum Ausdruck. Zum Abschied erhielt ich das von Herrn Rühl verfasste Buch „Investmentfonds verstehen und erfolgreich nutzen“ sowie eine schicke Cafe-Tasse. Als „Bonbon“ teilte mir Herr Rühl später mit (ich war zu diesem Zeitpunkt schon wieder zu Hause), dass ich noch ein zusätzliches Entgelt erhalten würde, was mich natürlich ebenfalls sehr gefreut hat.

 

Rück- und Ausblick

 

Es ist erstaunlich, wie schnell man sich an eine neue Umgebung gewöhnt und sich Beziehungen bilden. Zugegebenermaßen haben es mir die Mitarbeiter/innen der IFL® Rühl GmbH sehr leicht gemacht und ich konnte mich schnell einleben. Auch die freundliche Aufnahme bei Familie Mohr und Familie Rühl ließen mich „die Heimat“ kaum vermissen. Selbst mit den „Eigenarten der Schwaben“ (wie z.B. dass sie an fast jedes Nomen noch ein ‚le’ dran hängen und mindestens einmal in der Woche Spätzle oder Maultaschen auf dem Speiseplan stehen) konnte ich mich sehr bald anfreunden. Auch das Landschaftsbild der Schwäbischen Alp hatte ich schnell in mein Herz geschlossen. Umso schwerer fiel dann letztlich auch der Abschied.

 

Die Ziele des Projektes habe ich erreicht und kann mit Stolz sagen, dass es wohl bisher in Deutschland keinen vergleichbar schnellen Zulassungsprozess zu derart niedrigen Kosten gegeben hat. Das Praktikum hat mir großen Spaß gemacht, weil es vielseitig und anspruchsvoll war und ich selbständig nach eigener Planung arbeiten konnte. Ich erhielt einen Einblick in ein erfolgreiches Unternehmen und das Denken und Leben der beiden Geschäftsführer. Beeindruckt hat mich vor allem Herr Rühl selbst, denn er hat es geschafft ein Unternehmen aufzubauen, eine Stiftung zu initiieren, ein Buch zu schreiben und gleichzeitig eine Familie zu gründen. Das wäre wahrscheinlich niemals ohne die tatkräftige Unterstützung seiner Frau gelungen, die sich ebenfalls sehr in das Unternehmen eingebracht hat und weiterhin einbringt. Die Atmosphäre innerhalb des Unternehmens habe ich als sehr positiv empfunden, auch wenn es sicherlich in diversen Punkten zu hitzigen Diskussionen gekommen ist und auch hoffentlich weiter kommen wird. Dies ist meines Erachtens nicht als Störung einer Harmonie sondern vielmehr als nötiger kritischer Austausch zu verstehen, den ein Unternehmen braucht um nicht in eine Lethargie zu verfallen.

 

Für die IFL® Rühl GmbH war es das erste Mal, dass ein Praktikant zum Einsatz kam und ich denke, dass dies sehr gut gelungen ist. Ich wurde von Anfang an integriert, mit dem nötigen Respekt aufgenommen und konnte durch beiderseitiges Vertrauen sinnvoll für das Unternehmen tätig werden. So fiel es mir nicht schwer, auch mal bis 19 Uhr oder länger zu arbeiten.

 

Für das Unternehmen sehe ich trotz meiner Bedenken hinsichtlich der langfristigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung eine positive Zukunft. Die herzliche Aufnahme und die vertrauensvollen und interessanten Gespräche mit Herrn Rühl werde ich nicht vergessen. Abermals besten Dank.

 

 

Marco Feiten

5. Dezember 2003


http://www.new-sense.net/sonstiges/ifl_praktikum.htm

[1] Diese Institution vereinigt unter ihrem Dach die drei ehemaligen Bundesaufsichtsämter für das Kreditwesen (BAKred), für das Versicherungswesen (BAV) und für den Wertpapierhandel (BAWe). Ihre Aufgabe besteht unter anderem darin, Kunden und Anleger in ihrer Gesamtheit zu schützen und Verhaltensstandards durchzusetzen. Näheres unter www.bafin.de.

 

 

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